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Morgenroutine

Morgenroutine: Der Schlüssel zum Glück – oder nur ein weiterer Hype?

Morgenroutinen sind in aller Munde. Sie gelten als das Geheimrezept für mehr Produktivität, Fokus und – so die Verheißung – ein glücklicheres Leben. Doch wie belastbar ist dieser Anspruch? Und kann eine Morgenroutine tatsächlich langfristig das Glück steigern? Die Wissenschaft zeigt: Der Trend hat Potenzial, aber auch seine Tücken.

Ich hab es wirklich versucht. Bin dem „5AM Club“ beigetreten und eine ganze Weile um 5 Uhr morgens aus dem Bett gestolpert. Es gab Bewegung am Morgen und ich habe tatsächlich meinen Tag mittels Journaling geplant. Sogar einen Podcast oder das ein oder andere Kapitel eines Buchs wurde gelesen, bevor ich ein Frühstück zubereitet und nach und nach mit dem Tag gestartet bin. Und was soll ich sagen – Dieser Moment, in dem man genießt und den Morgen für sich entdeckt – DER KAM LEIDER NIE!!! Heute habe ich zwar meine Routine gefunden, aber die ist definitiv sehr weit weg vom 5-Uhr-Club und den festen Bestandteilen der Morgenroutine für „Erfolgreiche Menschen“.

Das Konzept der Morgenroutine wird immer wieder als DAS Wundermittel dargestellt. Die typische Bestandteile wie Meditation, Journaling, Sport oder Lesen sollen den Tag strukturiert beginnen lassen, Stress reduzieren und die persönliche Entwicklung fördern. [1] Die grundsätzliche Idee dahinter:

Rituale geben Sicherheit, da sie das Gehirn auf ein erwartbares Muster einstellen. Dies kann die Neuroplastizität fördern – die Fähigkeit des Gehirns, sich durch Erfahrungen neu zu organisieren. [2]

Rituale sind eng mit dem Belohnungssystem des Gehirns verbunden. Wenn wir eine Tätigkeit regelmäßig ausführen, die positive Emotionen hervorruft – sei es das achtsame Trinken einer Tasse Tee oder ein kurzer Morgenspaziergang – wird Dopamin ausgeschüttet. Dieser Neurotransmitter unterstützt nicht nur unser Wohlbefinden, sondern verstärkt auch neuronale Verbindungen, die mit Freude und Zufriedenheit verknüpft sind. Es entsteht eine positive Rückkopplungsschleife: Die Routine macht glücklich, was wiederum die Wahrscheinlichkeit erhöht, sie fortzuführen. [3]

Kritische Perspektive: Der Hype unter der Lupe

Stress durch Perfektionismus: Morgenroutinen versprechen viel, setzen jedoch auch hohe Standards. Die Vorstellung, dass man täglich vor der Arbeit meditieren, Sport treiben und Tagebuch schreiben muss, kann zusätzlichen Druck erzeugen. Dieser Stress kann den gewünschten Nutzen ins Gegenteil verkehren. Untersuchungen zeigen, dass überhöhte Erwartungen an sich selbst zu einem Phänomen namens „toxic productivity“ führen können – einer ungesunden Fixierung auf ständige Selbstoptimierung. [4] Genau das hat auch mich enorm gestresst zurückgelassen. Also alles andere als „glücklich in den Tag starten“.

Die Rolle der individuellen Chronobiologie: Nicht jeder Mensch ist ein Frühaufsteher. Forschungsergebnisse zeigen, dass unsere innere Uhr – die sogenannte Chronobiologie – einen erheblichen Einfluss auf unsere Leistungsfähigkeit und Stimmung hat. Frühaufsteher (Lerchen) profitieren von Morgenroutinen eher als Spättypen (Eulen), die morgens oft müde und reizbar sind. Für sie könnte eine gut strukturierte Abendroutine weitaus hilfreicher sein. [5] Mehr dazu findest du in Ausgabe 07/2024 des Glücksmagazins. Darin gibt es jede Menge Inhalt für Nachteulen und Frühaufsteher.

Fehlender wissenschaftlicher Konsens: Obwohl einige Beweise für die Vorteile von Morgenroutinen vorhanden sind, fehlen belastbare Studien, die eine direkte Verbindung zwischen Morgenroutinen und langfristigem Glück herstellen. Viele Behauptungen basieren auf allgemeinen Erkenntnissen zu Gewohnheiten, aber nicht speziell auf der Tageszeit. [6]

Was die Wissenschaft sagt: Schlaf schlägt Routine

Erholung vor Produktivität: Ein zentraler Faktor für Wohlbefinden und Neuroplastizität ist ausreichender Schlaf. Wer für eine ideale Morgenroutine früher aufsteht und dadurch weniger schläft, gefährdet seine kognitive Leistungsfähigkeit und emotionale Balance. Studien zeigen, dass ein Schlafmangel von nur einer Stunde pro Nacht das Risiko für Depressionen und Angstzustände erhöht. [7]

Dopamin und Motivation: Der Morgen kann für manche Menschen eine produktive Phase sein, da der Dopaminspiegel – verantwortlich für Motivation und Belohnung – oft zu dieser Zeit höher ist. Doch dieser Effekt ist individuell unterschiedlich und sollte nicht als universelle Wahrheit betrachtet werden. Menschen mit niedrigem Dopaminspiegel könnten von einer Routine profitieren, die auf Entspannung statt Leistung setzt. [8] Und die muss dann auch nicht am Morgen stattfinden. Vielleicht ist dann einfach eine Entspannungseinheit am Abend die richtige Wahl.

Rituale statt Uhrzeit: Die Neurowissenschaft zeigt: Es ist weniger entscheidend, ob eine Routine am Morgen oder später am Tag stattfindet. Wichtiger ist die regelmäßige Durchführung von Aktivitäten, die Freude bereiten und entspannen. Der Begriff „habit stacking“ beschreibt, wie man positive Gewohnheiten in bestehende Routinen integriert, um nachhaltig Glück und Zufriedenheit zu fördern. [9]

Wie eine Morgenroutine wirklich glücklich macht

Eine Morgenroutine kann positiv wirken – wenn sie flexibel gestaltet wird und individuell passt. So habe ich für mich herausgefunden, dass ich bestimmte Elemente jeden Tag perfekt einbauen kann, während ich z. B. meinen Sport eher variabel einbaue. 

Hier einige Tipps:

#1

Starte einfach: Beginne mit einer kleinen Aktivität, wie dem bewussten Trinken eines Kaffees oder drei Minuten tiefer Atemübungen. Dies senkt den Druck, alles perfekt machen zu müssen. Mein Top-Getränk am Morgen: ¼ Tel Salz und einem Schuss Limettensaft in einem Glas Wasser. Die dem menschlichen Blut ähnlichste Substanz ist eine 0,9%ige Salzlösung (Meerwasser); mit Kochsalzlösungen gleichen Ärzte den Verlust von Blutplasma aus. Salz hat noch eine wichtige Funktion, es nährt und entlastet die Nebenniere. [10]

#2

Hör auf deinen Körper: Gestalte die Routine im Einklang mit deinem Chronotyp. Frühaufsteher könnten Bewegung bevorzugen, während Spättypen mehr von Achtsamkeitsübungen profitieren.

#3

Setze Prioritäten: Schlaf ist wichtiger als jede Routine. Ein ausgeschlafenes Gehirn ist glücklicher und produktiver.

4

Freude statt Zwang: Wähle Aktivitäten, die Spaß machen, statt dich zu etwas zu zwingen. Eine Routine, die sich nach Arbeit anfühlt, verfehlt ihren Zweck.

Fazit

Morgenroutinen sind keine universelle Lösung für Glück und Produktivität. Für einige Menschen können sie hilfreich sein, während sie für andere eher Stress bedeuten. Entscheidend ist, dass Rituale individuell gestaltet und flexibel gehandhabt werden. Glück entsteht nicht durch den perfekten Start in den Tag, sondern durch Achtsamkeit und Balance – zu jeder Zeit.


Seitenbild Ausgabe 042025 min

Neuroplastizität und Glück

Hier kommst du zur gesamten Ausgabe und allen Inhalten des Glücksmagazins.


Quellen:

[1] Clear, J. (2018). Atomic Habits: An Easy & Proven Way to Build Good Habits & Break Bad Ones. Random House.

[2] Doidge, N. (2007). The Brain That Changes Itself: Stories of Personal Triumph from the Frontiers of Brain Science. Penguin Books.

[3] Neuroscience News (2023). Dopamine and Morning Rituals: A Neurological Perspectivehttps://neurosciencenews.com

[4] Harvard Business Review (2021). The Downside of Self-Improvement: When Productivity Becomes Toxichttps://hbr.org

[5] Roenneberg, T. (2012). Internal Time: Chronotypes, Social Jet Lag, and Why You’re So Tired. Harvard University Press.

[6] Scientific American (2020). Morning Routines and the Myth of the Miracle Morninghttps://www.scientificamerican.com

[7] Walker, M. (2017). Why We Sleep: Unlocking the Power of Sleep and Dreams. Scribner.

[8] Psychology Today (2022). Dopamine and the Motivation for Morning Activityhttps://www.psychologytoday.com

[9] Medical News Today (2023). The Science of Habit Stacking and Mental Well-Beinghttps://www.medicalnewstoday.com

[10] YPSI – Your Personal Strength Institute (n.d.)Starte jeden Tag mit Himalayasalz und Limettensaft in Wasser. Verfügbar unter: https://www.ypsi.de/blogs/ernaehrung/starte-jeden-tag-mit-himalayasalz-und-limettensaft-in-wasser[Zugriff am 10. Dezember 2024].

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