Work-Life-Balance in Finnland

Work-Life-Balance in Finnland – Arbeitszeitgesetz, Vaterschaftsurlaub und echte Mittagspausen

Die Work-Life-Balance ist ein wichtiger Aspekt im Leben vieler Menschen. Und gerade für die Generation Z, also die jetzt ins Berufsleben eintretende Generation, steht Work-Life-Balance und die eigene Freizeit ganz oben auf der Wunschliste. Immerhin ist eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit entscheidend für das Wohlbefinden und die Gesundheit. Auch in Finnland wird diesem Thema viel Bedeutung beigemessen, was man vor allem daran erkennt, dass Helsinki wieder zu einem der Städte mit der besten Work-Life-Balance gewählt wurde. Was genau die finnische Work-Life-Balance ausmacht, schauen wir uns auf den folgenden Seiten etwas genauer an.

Finnland ist bekannt für seine wunderschöne Natur und die Möglichkeit, auch in den Städten jederzeit outdoor die frische Luft zu genießen und sich draußen zu bewegen. Dies wird auch von den Einwohnern des Landes sehr geschätzt. Die Natur wird als wichtiger Ausgleich zum Arbeitsleben betrachtet. Es ist in Finnland auch üblich, dass die Arbeitgeber ihren Angestellten die Möglichkeit geben, in der Natur aktiv zu sein und zum Beispiel eine längere Mittagspause zu machen, um draußen spazieren zu gehen oder zu joggen.

Ein weiterer Faktor, der zur Work-Life-Balance beiträgt, ist die Arbeitszeitregelung. In Finnland gilt eine 8-Stunden-Arbeitszeit an fünf Tagen in der Woche. Es ist also ein ähnliches Modell zur Arbeitszeit in Deutschland. Den Unterschied macht nur das finnische Arbeitszeitgesetz.

Das Finnische Arbeitszeitgesetz – Geordnete Zeiteinteilung

Das besagt, dass die regelmäßige Arbeitszeit acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich nicht überschreiten soll, bzw. sie sollte durchschnittlich 40 Stunden über vier Monate mit einer maximalen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden betragen. Die zeitbezogene Arbeitszeit erlaubt 80 Stunden alle 14 Tage oder 120 Stunden in drei Wochen, wenn dies gesetzlich zulässig oder in einem nationalen Tarifvertrag verankert ist. Dabei können die Arbeitszeiten je nach Tarifverträgen (von denen es etwa 160 gibt) in verschiedenen Sektoren variieren.

Flexible Arbeitsbedingungen sind zudem in der Regel eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und erlauben dem Arbeitnehmer zu entscheiden, wann und wo er 50 % der Zeit arbeitet. Hier waren die Finnen übrigens schon sehr früh dabei, diese Flexibilität und das Hybride Arbeiten in ihren Alltag zu integrieren.

Außerdem hat der Arbeitnehmer bei einem Arbeitstag von mehr als sechs Stunden Anspruch auf mindestens eine Stunde Pause, die er zum Verlassen des Arbeitsplatzes nutzen kann. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann eine kürzere Pause vereinbart werden, jedoch nicht weniger als 30 Minuten. Die Pausen zwischen den täglichen Schichten sollten 11 Stunden betragen und jede Woche sollte es mindestens 35 Stunden Ruhezeit geben.

Alles in allem sehr ähnlich zur Situation in Deutschland. Allerdings sehe ich den Unterschied ganz klar in der Durchführung und dem Inhalt dieser Pausen. Die Finnen nehmen sie gern komplett wahr und verlassen ihren Arbeitsplatz, um draußen die Zeit zu verbringen. Daher sind auch die Restaurants und Cafés in den Städten zur Mittagszeit mehr als gefüllt. Auch das Angebot ist hier deutlich anders als in deutschen Städten. Die Finnen lieben ihre Salat-Buffets und täglich wechselnden Suppen. Die perfekte Mahlzeit zur Mittagspause. Und noch etwas gehört zur Work-Life-Balance in Finnland: Die Kahvipaussi. Die Kaffeepause ist sogar im Gesetz geregelt und besagt, dass jedem Arbeitnehmer zweimal 15 Minuten Zeit für einen Kaffee (oder eben auch Tee) eingeräumt werden muss. 

Darüber hinaus gibt es in Finnland eine starke Kultur der Work-Life-Balance. Es ist in Ordnung, Überstunden abzulehnen und stattdessen Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Es wird auch erwartet, dass Arbeitgeber die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter berücksichtigen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre Freizeit zu genießen. Es geht um Ergebnisse und gute Arbeit und nicht um Anwesenheit und Überstunden um jeden Preis.

Die Finnen sind fleißig und engagiert. Daher gibt es natürlich auch Überstunden und Mehrarbeit. Aber auch diese ist gesetzlich geregelt.

Das Gesetzt erlaubt nämlich „nur“ maximal zulässige Überstunden von 138 Stunden in einem Zeitraum von vier Monaten oder 250 Stunden in einem Kalenderjahr. Eine Verlängerung der 250 Stunden kann zwar vereinbart werden, jedoch nur auf weitere 80 Stunden im Jahr. Anders als in Deutschland ist auch die Überstundenvergütung klar geregelt. Für die ersten zwei Stunden bekommen Arbeitnehmer das 1,5-fache des regulären Stundensatzes und für die folgenden Stunden das Doppelte. Dies kann als Vergütung oder als Freizeitausgleich entgegengenommen werden. Das Ziel dahinter ist ganz klar zu zeigen, dass es eben nicht „normal“ ist, immer über die eigentliche Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. 

Urlaubsanspruch und der Sommer der Finnen

Der Urlaubsanspruch gilt in Finnland vom 1. April bis 31. März und fällt unter das Jahresurlaubsgesetz. Im ersten Jahr erhält der Arbeitnehmer für jeden Monat zwei Tage bezahlten Urlaub. In den Folgejahren hat der Arbeitnehmer Anspruch auf zweieinhalb Tage pro Monat – das ergibt einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Tagen oder fünf Wochen. Außerdem gibt es jedes Jahr rund 11 nationale Feiertage, an denen Arbeitnehmer Freizeitausgleich erhalten.

Laut Regelungen und Gesetz sollten vom Jahresurlaub mindestens 24 Tage in der Ferienzeit, also zwischen dem 2. Mai und dem 30. September genommen werden. Viele finnische Unternehmen haben eine Art Betriebsurlaub in den Sommermonaten, bzw. fahren ihre Aktivitäten in bestimmten Zeiten extrem herunter. Denn der Sommer ist den Finnen heilig und die warmen Wochen werden ausgiebig genutzt.

Das Lieblingsziel der Finnen ist nach wie vor das eigene Land. Hier werden Wochenenden und Ferien in den landestypischen „Mökki“ verbracht. Die kleinen Wochenendhäuser sind meist schon lange im Familienbesitz und Anlaufstelle für Erholung und eben Ausgleich zum Alltag.

Mutterschafts-/Vaterschaftsurlaub in Finnland

Inhalt der Babybox von Kela 2023 min

Wichtig für eine gute Work-Life-Balance ist auch eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade für junge Eltern ist daher der finnische Weg ideal, der die Bedürfnisse beider Elternteile abdeckt und eine große Hilfe darstellt.

Krankenversicherte Eltern haben in Finnland Anspruch auf in steuerfreies Mutterschaftsgeld in Höhe von 170 €. Dies wird nach dem fünften Schwangerschaftsmonat gezahlt. Alternativ können Eltern auch die weltbekannte „Babybox“ erhalten. Das ist eine komplette Erstausstattung mit Kleidung, Babyartikeln, Bettwäsche und Co. enthält. Zudem ist die Box mit einer Matratze ausgestattet. Die Box selbst dient damit als Babybett und wird bei vielen Finnen gern genutzt. Baby in the Box  🥰

Außerdem gibt es, wie auch in Deutschland den Mutterschaftsurlaub. Dieser kann frühestens 50 Arbeitstage und spätestens 30 Tage vor dem Geburtstermin beginnen und dauert 105 Arbeitstage an. Das Mutterschaftsgeld (äitiysraha) wird von Kela, der finnischen Sozialversicherungsanstalt, für alle 105 Tage des Mutterschaftsurlaubs gezahlt. Unter besonderen Umständen können Beschäftigte aber auch eine besondere Mutterschaftsbeihilfe beantragen, die den Zeitraum verlängert.

Ein echtes Alleinstellungsmerkmal Finnlands ist der Vaterschaftsurlaub. Dieser kann vom Arbeitnehmer nach der Geburt des Kindes für maximal 54 Arbeitstage in Anspruch genommen werden. Diese Tage können dann in maximal 3 getrennten Zeiträumen genutzt werden. Außerdem haben die Väter auch Anspruch auf maximal 18 freie Tage, während die Mutter ebenfalls im Mutterschaftsurlaub ist. Als eine „Vaterschaftsbeihilfe“ ( isyysraha).

Finnische Tipps zur Verbesserung der Work-Life-Balance

Ja, die Finnen machen beim Thema Work-Life-Balance tatsächlich eine ganz gute Figur. Sicherlich ist das nicht in jedem Unternehmen oder Haushalt der Fall – Workaholics und „Ausbeuter“ gibt es viele, auch in Suomi. Aber das ein oder andere können wir durchaus von den Nordeuropäern lernen und für uns anwenden:

  • Sorge für mindestens 7 Stunden Schlaf täglich sowie regelmäßiges Training für Geist und Körper
  • Priorisiere deine Gesundheit und auch die Entspannungszeit
  • Nimm dir Zeit für Dinge, die dir Freude und Erfüllung bereiten
  • Lerne NEIN zu sagen
  • Nimm deine Mittagspausen ernst
  • Mache Urlaub oder nimm dir kleine Auszeiten über das Wochenende
  • Pflege gute Beziehungen zu deinen Kollegen
  • Plane immer Zeit für Familie und Freunde ein
  • Arbeite in einem passenden Umfeld und versuche flexible Arbeitszeiten einzusetzen
  • Kenne deinen Wert und setze Grenzen
  • Lasse Aktivitäten aus, die Zeit und Energie verschwenden

FAZIT:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Wort-Life-Balance in Finnland eine wichtige Rolle spielt und von der Gesellschaft geschätzt und durchaus auch gepflegt wird. Die Möglichkeit, in der Natur aktiv zu sein, ein bezahlter Urlaub, eine angemessene Arbeitszeitregelung und eine Kultur, die die Work-Life-Balance aktiv erweitert, tragen zu einem ausgewogenen Leben bei.

Denn nur wer sich wohl fühlt, gesund durch den Tag geht, kommt gern zur Arbeit und wird damit produktiver und einfach besser – Und das ist am Ende eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Arbeitnehmer und Arbeitgeber!

Weitere Inhalte zum Thema Work-Life-Balance gibt es in der Kategorie. Außerdem findest du die Merkmale von 5 finnischen Städten zu deren Work-Life-Balance im aktuellen Glücksmagazin. Jet herunterladen und komplett lesen!

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